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29.09.2025 Information

Vor dem Vor­hang - Ste­fan Lud­wig

Ein Porträt des in Eichgraben lebenden Dokumentarfilmers

 

Alles begann damit, dass Stefan Ludwig, geboren 1978 in Eichstätt, einer Universitätsstadt in der bayrischen Provinz, 19 Jahre später die Aufnahmeprüfung für ein Theaterregie-Studium am Wiener Reinhardt-Seminar bestand. Etwas, wovon viele träumen, aber die wenigsten schaffen. Und er schloss es 2003 auch ab. Das Diplom hätte das Startkapital für eine glanzvolle Regiekarriere in der deutschen Theaterszene werden können, aber Stefan Ludwig, der unter anderen bei Achim Benning und Klaus Maria Brandauer gelernt hatte, schlug diese verheißungsvolle Option aus.

 

Da stellt sich naturgemäß die Frage: warum? „Ich war sehr jung als ich ans Reinhardt-Seminar gekommen bin“, erzählt Stefan Ludwig beim Treffen in der Bruckmeierei, „und es hat sich für mich während des Studiums herauskristallisiert, dass ich noch etwas Neues ausprobieren, noch mehr Erfahrungen sammeln und nicht von einer Blackbox in die nächste, also vom Reinhardt-Seminar in den Theaterbetrieb wechseln wollte.“

 

Statt also die Welt des Theaters zu erobern, fing Stefan Ludwig sofort nach dem Reinhardt Seminar ein neues Studium an, denn er hatte mittlerweile herausgefunden: „Ich will Dokumentarfilme machen.“ Und das kann man zum Beispiel in München an der Filmhochschule erlernen, Dokumentarfilm und Fernsehpublizistik, nennt sich der Studienzweig, den Stefan Ludwig dann belegte und 2010 mit einem neuen Diplom abschloss. Aber was hat diesen Willen zum Doku-Film eigentlich ausgelöst? „Am Leben schnuppern, andere Lebenswelten kennenlernen, Dinge hinterfragen, indem man sich der Realität aussetzt und aus seiner eigenen Blase rausgeht.“

Stefan Ludwig hat mittlerweile eine beeindruckende, mit höchsten Auszeichnungen gepflasterte Karriere als freiberuflicher Doku- und Doku-Dramen-Filmer für verschiedene Fernsehsender und das Kino hingelegt. Für die Doku „Der zornige Buddha“ (2016) hat er über drei Jahre lang eine Roma-Siedlung in Ostungarn besucht: Prädikat: „Besonders wertvoll“. Es folgten großartige Filme wie „Glauben, Leben, Sterben – Menschen im Dreißigjährigen Krieg“ (2018), „Sisi – Die Getriebene“ (2019), „Aufstand im Bordell – Frauenhandel um 1900“ (2023), sowie der Zweiteiler, der noch auf ORF On zu sehen ist: „Die ersten Fliegerinnen – Zwischen Triumph und Tragödie“ 2024) und das ist nur eine kleine Auswahl.

 

Welcher Impuls treibt den Doku-Macher dabei an? „Es ist die Neugierde auf Menschen, das Interesse an menschlichen Schicksalen, am Alltag von Menschen und ihren Beziehungen. Was mich besonders interessiert, ist die Alltagsgeschichte der kleinen Leute. Wenn ich eine Doku über Sisi mache, geht es eigentlich nicht um die Kaiserin, sondern um den nächsten Beamten neben ihr, der im Dunstkreis und Schatten dieser strahlenden Frau versucht, seine Aufgabe zu erledigen.“

 

Zur Zeit arbeitet Stefan Ludwig gerade für die ORF-Sendung „Kreuz und Quer“ an einer Dokumentation über die Palliativstation am AKH: „Es ist sehr beeindruckend, was die Ärzte und Pflegekräfte dort leisten“ (Sendetermin: 25.11. 23:05 auf ORF2). Für eine weitere Doku zum Thema 500 Jahre Bauernkrieg in Tirol steht eine Reise zu den Originalschauplätzen auf dem Drehplan. Auf die Frage, wie ein aktuelles Doku-Drama über den politischen und gesellschaftlichen Zustand Österreichs heute ausschauen könnte, meint Stefan Ludwig nach einer Nachdenkpause: „Die Frage ist eher, ob man dazu einen Film machen soll oder ob nicht schon die Chronik der laufenden Nachrichten einen ausreichenden Unterhaltungswert bietet? Die Nachrichten sind eigentlich schon der Krimi oder das Drama oder oft die Satire, die nicht mehr zu überbieten ist.“

 

Stefan Ludwig hat sein Büro in Wien, lebt aber in Eichgraben. Dass der gebürtige Deutsche in Österreich geblieben ist, hat einen einfachen Grund: die Liebe. Mit der Geburt ihrer Tochter vor elf Jahren entschloss sich das Paar aus der Stadt aufs Land, also Eichgraben zu ziehen. „Es war der Ort, wo wir uns eine Eigentumswohnung leisten konnten. Es ist ein Ort, wo man sehr übersichtlich ein Kind großziehen kann. Ich habe es nicht bereut. Man trifft ständig Leute, die man kennt. Man ist integriert. Und ich wünsche mir, dass der Bienenpark hinter dem Gemeindezentrum erhalten bleibt, ebenso das Lädchen, der Wochenmarkt, die Galerie am Bahnhof, all diese Elemente der Infrastruktur in Eichgraben, die für uns auch ein Grund waren hierher zu ziehen. Es ist phantastisch, wenn man so viel Kultur vor der Haustür hat.“

 

Letzte Frage: Was könnte man in Eichgraben besser machen? „Die Radwege!“

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